
Bereits im vergangenen Jahr wurde im Rahmen interner Behördenkonsultationen in Kasachstan die Möglichkeit diskutiert, EAC Zertifikate aus Kirgisistan in ihrer Gültigkeit für das Inverkehrbringen von Produkten einzuschränken. Nun verdichten sich die Hinweise: der Import kirgisisch zertifizierter Produkte soll erheblich erschwert werden – ein Schritt, der weitreichende Folgen für Hersteller und Exporteure in die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) haben kann.
Hintergrund: Mangelhafte Prüfverfahren und graue Zertifikate
Auslöser für diese Entwicklung ist der zunehmende Missbrauch der EAC-Zertifizierungsverfahren in einigen EAWU-Staaten. Kasachische Behörden sowie Vertreter aus Wirtschaft und Politik werfen bestimmten kirgisischen Konformitätsbewertungsstellen vor, Zertifikate ohne echte Produktprüfungen oder unter Verletzung gesetzlich vorgeschriebener Abläufe auszustellen. Diese sogenannten „grauen Zertifikate“ gefährden nicht nur die Sicherheit der Verbraucher, sondern unterminieren das Vertrauen in das gesamte EAWU-Konformitätsbewertungssystem.
„Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systemisches Problem. Zertifikate werden innerhalb von Stunden ohne Labortests oder behördliche Kontrolle ausgestellt.“
Dabei wurde der Fall eines Unternehmens bekannt, das über 1.100 Zertifikate in nur einem Jahr durch ein einziges kirgisisches Zertifizierungsorgan erhalten hatte – für verschiedenste Produktkategorien von Elektronik bis Lebensmittel.
Neue Vorschriften
Das kasachische Ministerium für Handel und Integration hat einen Entwurf für eine Regierungsverordnung veröffentlicht, die vorsieht:
- Die Einfuhr von Produkten nach Kasachstan nicht mehr zulässig, wenn diese von Konformitätsbewertungsstellen mit der Kennung
EAWU KG*
zertifiziert wurden, sofern das Zertifikat nach dem Stichtag ausgestellt wurde. - Die Maßnahme betrifft sowohl Importe aus Drittländern, als auch den innergemeinschaftlichen Handel innerhalb der EAWU.
Russische Diskussion: Auch Moskau erkennt das Problem an
Die Problematik wurde auch auf höchster Ebene in Russland aufgegriffen. Bei einem Gespräch zwischen Präsident Wladimir Putin und dem Vertreter des Unternehmens Veter Sport wurde offen über Zertifikate ohne tatsächliche Prüfverfahren in Ländern wie Kirgisistan gesprochen.
„Alle sind nach Kirgisistan ausgewichen. 2023 wurden dort über 250.000 Zertifikate ausgestellt – ein dramatischer Anstieg im Vergleich zu früheren Jahren.“
Russland plant nun ebenfalls Mechanismen zur Aussetzung von EAC Zertifikaten einzuführen, wenn bei Kontrollen festgestellt wird, dass sie nicht den Anforderungen entsprechen. In Belarus und Kasachstan gibt es solche Verfahren bereits.
Retrospektive: Die Debatte begann nicht erst gestern
Schon im März 2024 wurde darüber berichtet, dass das kasachische Ministerium an Regelungen arbeitet, die den Import von Produkten mit EAC-Zertifikaten aus Kirgisistan einschränken sollen. Zahlreiche Unternehmen hatten bereits damals mit erhöhtem Prüfaufwand an der Grenze und Nachforderungen zu kämpfen. Im Zeitraum 2022–2023 wurden insgesamt über 500 Zertifikate aus Kirgisistan rückwirkend annulliert – meist wegen fehlender oder unzureichender Prüfunterlagen.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Der Export nach Kasachstan wird für Unternehmen, die kirgisische Zertifizierungsstellen nutzen mit erheblichen Risiken behaftet. Mögliche Folgen sind:
- Verzögerungen bei der Zollabfertigung
- Rücksendung oder Beschlagnahmung von Waren
- Ausschluss aus öffentlichen Ausschreibungen
- Reputationsrisiken durch "fragwürdige" Dokumente
Ihre Optionen:
- Weiterarbeiten mit bestehenden kirgisischen EAC Zertifikaten – unter Inkaufnahme von Verzögerungen und Zusatzkontrollen.
- Aktive Vorbereitung auf Kontrollen, durch Anforderung vollständiger Dokumentationen (Prüfprotokolle, Anträge, Probenentnahmen etc.) beim kirgisischen Zertifizierer.
- Wechsel zu einem zuverlässigen Zertifizierungsorgan mit transparenter Dokumentation und technischer Nachvollziehbarkeit.
- Erneute Zertifizierung in Russland oder Kasachstan, um den Anforderungen der Behörden vollständig gerecht zu werden.
Wir empfehlen dringend, sich unverzüglich mit der Beratungsfirma in Verbindung zu setzen, die Ihnen die betreffenden EAC Zertifikate vermittelt hat – insbesondere wenn diese ohne Prüfprotokolle und ohne Nachweis über die Einfuhr von Mustern ausgestellt wurden. Sollte diese Beratungsfirma ihre Kunden nicht ausreichend über die Risiken informiert haben, besteht dringender Handlungsbedarf. Die Probleme im Bereich Compliance mit kirgisischen Konformitätsbewertungsstellen sind seit Langem bekannt – und Behörden in Kasachstan sowie Russland reagieren nun sichtbar und entschlossen.
Wie wir Sie unterstützen können
Schmidt & Schmidt bietet Ihnen umfassende Unterstützung:
- Überprüfung vorhandener Zertifikate hinsichtlich möglicher Risiken
- Beratung zur Wahl geeigneter Zertifizierungsstellen
- Komplette Neu-Zertifizierung Ihrer Produkte in Russland oder Kasachstan
- Begleitung bei Zoll- und Marktaufsichtsfragen
Kontaktieren Sie uns – wir beraten Sie individuell und helfen Ihnen, Ihre Lieferkette abzusichern.
Was ist eine EAC-Zertifizierung?
In unserem Video erzählen wir, was eine EAC-Zertifizierung ist, wie und wo Sie Ihre Produkte für das Inverkehrbringen in die EAWU zertifizieren oder deklarieren können.
Die EAC-Zertifizierung und die EAC-Deklarierung sind komplexe Verfahren, welche die Konformität ihrer Produktion mit den geltenden technischen Regelwerken bestätigen und viel Fachwissen erfordern. Schmidt & Schmidt bietet Ihnen Unterstützung bei der Zertifizierung für den Markt der Eurasischen Wirtschaftsunion an.