Im Rahmen der Reform des Zivilgesetzbuchs im Bereich von Finanz- und Zahlungsdienstleistungen erweitert Russland sein Verständnis für Treuhandkonten. Und nähert sich in dieser Hinsicht noch mehr westlichen Geschäftsgepflogenheiten an. Denn in der westeuropäischen Geschäftspraxis sind die Escrow-Konten ein längst gängiges Instrument, um die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen des Käufers und des Verkäufers in gleichem Maße zu sichern.
Die Regelung von Anderkonten wurde in Russland erstmals zum 1. Juli 2014 in Art. 860.7 ff. des russischen Zivilgesetzbuchs (ZGB RF) aufgenommen. Mit diesen Normen wurden russische Banken berechtigt, Escrow-Konten zu eröffnen und zu führen. Die Anerkennung derartiger Konten hat die Abwicklung etwa von grenzüberschreitenden Aktien- bzw. Anteilskaufverträgen in Russland wesentlich erleichtert. Bis zur Aufnahme dieser Regelung waren solche Escrow-Vereinbarungen nur unter Beteiligung von ausländischen Banken möglich.
Mit der aktuellen Novellierung des ZGB RF wurden die Regeln zum offenen Treuhandkonto namens Escrow ergänzt. Es wurde darüber hinaus eine weitere Form der treuhänderischen Vermögenshinterlegung eingeführt. Das Gesetz Nr. 212-ФЗ zur Änderung des ZGB RF wurde am 26. Juli 2017 offiziell veröffentlicht und tritt ab dem 1. Juni 2018 in Kraft.
Konkretisiert wurde die bestehende Gesetzesregelung hinsichtlich des Zeitpunkts, in dem das auf das Escrow-Konto eingezahlte Geld nicht mehr dem Deponenten sondern nun dem Begünstigten gehört. Das ist der Zeitpunkt, in dem alle Bedingungen eingetreten sind, deren Erfüllung für die Übergabe des hinterlegten Betrags vorgesehen war. Ferner wurde ergänzt, dass das Escrow-Konto weder gesperrt noch gepfändet werden kann, sofern es sich um Forderungen Dritter gegenüber dem Deponenten oder Forderungen gegenüber dem Begünstigten handelt.
Das in das ZGB RF neu eingeführte Kapitel 47.1 (Art. 926.1 bis Art. 926.8) erweitert die Möglichkeiten, des Escrow-Instruments zu bedienen. Während es sich bei der Regelung aus dem Jahr 2014 ausschließlich um ein Bankkonto handelt, berechtigt die Novelle nun auch weitere Institutionen zur treuhänderischen Hinterlegung von Vermögenswerten. Ein derartiges Depot kann etwa von einem Notar, Rechtsanwalt bzw. Steuerberater geführt werden. Die letzteren werden unter der Bezeichnung „Escrow-Agent“ zusammengefasst. Unter dem Vermögen werden hier nicht nur Geldwerte verstanden, sondern auch bewegliche Sachen, klassische Wertpapiere in Form einer Urkunde (vergleichbar mit Verbriefung nach deutschem Recht) oder auch Wertpapiere in Form eines Register- oder Bucheintrags (nicht verbrieftes Vermögensrecht/Wertrecht) sowie bargeldlose Zahlungsinstrumente. Art. 926.1 P. 3 ZGB RF.
Die neue Vertragsart hat den Namen „Vertrag zum bedingten Depot (Escrow)“ / „договор условного депонирования (эскроу)“ erhalten. Das Wort „bedingt“ steht hier dafür, dass die deponierten Vermögenswerte nur beim Eintritt von vertraglich vorgesehenen Bedingungen an den Begünstigten weitergeleitet werden dürfen. Dem Begünstigten kann die Verpflichtung auferlegt werden, den Eintritt der Bedingungen durch Einreichung von entsprechenden Unterlagen zu bestätigen. Der Escrow-Agent ist zur Überprüfung von vorgelegten Nachweisen verpflichtet. Erweckt die Prüfung berechtigte Zweifel an der Echtheit der Nachweise, muss der Treuhänder die Herausgabe des hinterlegten Vermögens verweigern, sofern vertraglich nichts anderes geregelt ist.
Eine Vollstreckung in das deponierte Vermögen, dessen Pfändung oder Belastung durch Sicherungsmaßnahmen wegen Forderungen gegen den Escrow-Agenten oder Deponenten sind ausgeschlossen. Wird gegenüber dem Deponenten ein Insolvenzverfahren eröffnet, bleibt das deponierte Vermögen außerhalb der Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters. Muss gegenüber dem Begünstigten vollstreckt werden, kann nur das Forderungsrecht des Begünstigten auf die Herausgabe des hinterlegten Vermögens und nicht hingegen das Vermögen an sich belastet werden.
Gemäß dem Art. 926.1 P. 1 Abs. 3 ZGB RF ist der Vertrag zum bedingten Escrow-Depot grundsätzlich zwingend notariell zu beurkunden. Abweichendes gilt bei der Hinterlegung von bargeldlosen Mitteln bzw. nichtverbrieften Wertpapieren.