Bei großen unübersichtlichen Gesetzespaketen, gleichzeitig wichtige Gesetzesänderungen zu verabschieden, in der Hoffnung, dass diese sich „in der Masse verlieren“, ist beim russischen Gesetzgeber Usus. So auch diesmal:
Kaum jemand hat bemerkt, dass Änderungen des russischen Steuerkodexes eingeführt wurden, welche die Grundpfeiler der russischen Marktwirtschaft erheblich schwächen könnten.
Das Fundament der modernen Marktwirtschaft liegt in der Aufteilung der Haftung. Hierbei muss zwischen der gesellschaftlichen Haftung und der Haftung der Gesellschafter unterschieden werden. Grundsätzlich haften weder Gründer, noch Aktionäre für Verbindlichkeiten der AG, sondern die AG selbst mit ihrem Stammkapital. Genau diese strikte Aufteilung der Haftung ist prägendes Kennzeichen der modernen Marktwirtschaft und verhalf dem Kapitalismus zu enormen Erfolg.
Mit Änderung von Art. 45 Nr. 2 Ziff. 2 des Russischen Steuerkodexes, haften für steuerliche Verbindlichkeiten der AG, von nun an auch Aktionäre mit deren Anteilen und Aktien.
Zu dieser Haftungserweiterung führte die Redaktion eines einzigen Wortes. In der vorherigen Fassung hieß es, dass steuerliche Verbindlichkeiten des Unternehmens lediglich von Schwestergesellschaften „аффилированных организаций“ beigetrieben werden können. In der aktuellen Fassung wurde das Wort „-gesellschaften“ durch das juristisch abstraktere Wort „Personen“ (лица) ersetzt. Hierunter fallen somit auch natürliche Personen.
Dies bedeutet für die Praxis, dass die russischen Steuerbehörden nun über eine gesetzliche Grundlage verfügen, steuerliche Verbindlichkeiten der AG von den Aktionären einzutreiben.
Am 1. Dezember 2016 trat die neue Fassung des Art. 45 Nr. 2 Ziff. 2 des Russischen Steuerkodexes in Kraft. Eine Besonderheit ist, wie sooft im Steuerrecht, dass die fragwürdige Änderung über Rückwirkung verfügt, sodass Aktionäre bedingt auch für frühere steuerliche Verbindlichkeiten der AG um Ihre Gesellschaftsanteile bangen müssen.