Der eurasische und insbesondere der russische Markt bleiben trotz der Sanktionen und politischen Auseinandersetzungen für viele deutsche Hersteller attraktiv. Die entsprechende Konformitätsbewertung - EAC-Zertifizierung oder EAC-Deklarierung - stellt für viele ausländische Unternehmer wegen ihrer Komplexität, den sprachlichen Differenzen sowie der sehr dynamischen Entwicklung der technischer Regulierungen und der Gesetzgebung im Bereich der industriellen Sicherheit und des Verbraucherschutzes ein großes Hindernis dar.
Da die EAC-Zertifizierung oft nicht nur mit einem großen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden ist, sondern unter Umständen auch ein großes Risiko für den Hersteller oder Importeur darstellt, sind diese oft verunsichert und wissen häufig nicht, wie man die EAC-Zertifizierung richtig und rechtskonform durchführt und worauf geachtet werden muss.
Im Folgenden erklären wir die wichtigsten Punkte:
Beratungsgesellschaft
Da das Thema der EAC-Zertifizierung sehr komplex ist, ist es als Hersteller äußerst wichtig von Anfang an einen kompetenten, erfahrenen und seriösen Partner zu finden, der ihm in allen Phasen der Konformitätsbewertung beratend zur Seite steht.
Normalerweise verfügen europäische Großkonzerne bereits über umfangreiches Know-How und fundiertes Wissen im Bereich der Qualitätssicherung, CE-Konformitätsbewertung und des Exports. Nichtsdestotrotz stoßen sie oft an die Grenzen ihrer Kompetenzen und benötigen deshalb eine externe Beratung. Das gilt vor allem aber für mittlere und kleinere Unternehmen, die sich weder Mitarbeiter mit den entsprechenden sprachlichen und fachlichen Kompetenzen leisten, noch ein umfangreiches Können aneignen können.
Die Aufgabe einer Beratungsgesellschaft besteht darin,
- dem Hersteller bei der EAC-Zertifizierung zu helfen,
- die Einreihung der Produkte korrekt durchzuführen,
- notwendige technische Unterlagen vorzubereiten und fehlerfrei zu übersetzen,
- sowie vor allem eine richtige akkreditierte Zertifizierungsstelle, ein entsprechendes Prüflabor und einen aufrichtigen bevollmächtigten Vertreter auszuwählen.
Die Beratungsgesellschaft spielt bei der Zertifizierung deshalb eine so große Rolle, da die Beratungsgesellschaft und nicht die Zertifizierungsstelle Ihr Ansprechpartner im Laufe der EAC-Zertifizierung sein wird. Die Erfahrung zeigt, dass man oft vergeblich auf Unterstützung oder Auskunft seitens der Zertifizierungsstelle wartet, sobald die Rechnung bezahlt wurde.
Deshalb ist die Unabhängigkeit der Beratungsgesellschaft von der Zertifizierungsstelle für einen erfolgreichen und reibungslosen Ablauf des Verfahrens entscheidend. Es ist vorteilhaft einen kompetenten Berater an seiner Seite zu haben, der einen im Zweifelsfall unterstützen kann.
Da sich oft dubiose Anbieter hinter den angeblich renommiertesten und staatlich akkreditierten Dienstleistern verbergen, sollte man bei der Auswahl der Beratungsgesellschaft auf folgende Dinge achten:
- Referenzen anderer Kunden aus der gleichen Industriebranche
- ordnungsgemäße Registrierung im Handelsregister
- transparente Gesellschaftsstruktur
Bevollmächtigter Vertreter
Laut dem aktuellen Recht der Eurasischen Wirtschaftsunion, dürfen nur die im Hoheitsgebiet der Eurasischen Wirtschaftsunion ansässigen Unternehmen die EAC-Zertifizierung beantragen oder die Registrierung einer EAC-Deklaration (EAC-Konformitätserklärung) vornehmen.
Die Unternehmen, die sich außerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion befinden, zum Beispiel in Deutschland oder in anderen EU-Staaten, sind grundsätzlich nicht berechtigt eigene Produkte selbst zu zertifizieren. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Durchsetzung der Forderungen durch entsprechende Regulierungsbehörden in der EAWU schwierig sein kann, vor allem wenn ausländische Unternehmen gegen die technischen Regelwerke verstoßen.
Dieses Problem kann vermieden werden, wenn der Hersteller einen bevollmächtigten Vertreter in der Eurasischen Wirtschaftsunion benennt, der die Zertifizierung im Auftrag des Herstellers durchführt.
Da der bevollmächtigte Vertreter als Anlaufstelle für die Marktüberwachung dient, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Der bevollmächtigte Vertreter muss im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Wirtschaftsunion registriert werden.
- Ein Vertrag zwischen dem Hersteller und dem bevollmächtigten Vertreter zur Durchführung der EAC-Zertifizierung oder der EAC-Erklärung muss abgeschlossen werden.
- Der bevollmächtigte Vertreter übernimmt die Verantwortung für die Einhaltung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards.
Darüber hinaus ist der bevollmächtigte Vertreter und nicht der Hersteller der Besitzer des EAC-Zertifikats oder der EAC-Deklaration. Nur der bevollmächtigte Vertreter kann als Antragsteller entscheiden, wer das EAC-Zertifikat benutzen darf. D.h. der bevollmächtigte Vertreter muss auf Antrag des Herstellers jedem Importeur in der Eurasischen Wirtschaftsunion eine Vollmacht erteilen, damit der Importeur - in der Regel der Käufer - diese bei der Einfuhrverzollung dem Zoll vorlegen kann. Ohne Vollmacht werden die Waren nicht zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen und müssen im schlimmsten Fall auf die Kosten des Versenders entsorgt werden.
Der Hersteller gerät dadurch in eine gewisse Abhängigkeit von seinem Vertreter. Leider ist es nicht unüblich, dass der bevollmächtigte Vertreter sich plötzlich in Luft auflöst und verschwindet. So kann keine neue Vollmacht erteilt werden und sehr wertvolle Zertifikate, für die der Vertreter als Antragsteller benannt wurde, können nicht mehr benutzt werden.
Deshalb ist die Wahl eines zuverlässigen und vertrauenswürdigen bevollmächtigten Vertreters bei der EAC-Konformitätsbewertung von enormer Bedeutung.
Man sollte dabei darauf achten,
- ob die ordnungsgemäße Registrierung des bevollmächtigten Vertreters im Handelsregister einem der Mitgliedstaaten der EAWU vorgenommen wurde,
- ob der bevollmächtigte Vertreter schon lange auf dem Markt existiert und es sich um kein “fly-by-night” Unternehmen handelt,
- ob ein Vertrag zwischen dem Hersteller und dem bevollmächtigten Vertreter unterzeichnet wurde
- und das Wichtigste, ob das Entgelt für die Vollmacht im Vertrag festgelegt wurde
Zertifizierungsstelle
Die Zertifizierungsstelle spielt eine zentrale Rolle im EAC-Zertifizierungsprozess.
Aufgaben der Zertifizierungsstellen:
- Identifizierung und Klassifizierung des Produkts
- Entnahme von Mustern für die nachfolgenden Prüfungen
- Festlegung der Technischen Regelwerke, die der Art des Produktes entsprechen
- Versand der Muster zum akkreditierten Labor
- Analyse und Bewertung der technischen Dokumente
- Durchführung des Produktionsaudits
- Ausstellung des Zertifikats
Dienstleistungen der Zertifizierungsstelle sind einer der wichtigsten Kostenfaktoren des gesamten Konformitätsbewertungsverfahren. Daher sollte die Zertifizierungsstelle sorgfältig ausgewählt werden.
Häufige Betrugsfälle
Leider dominieren auch heute noch Zertifizierungsstellen den Markt, welche EAC-Zertifikate ohne jegliche Überprüfung von Produkten im größtmöglichen Umfang ausstellen, um sich daran zu bereichern. Sie haben dabei teils sehr skrupellose Geschäftspraktiken etabliert und bedienen sich äußerst intransparenten Geschäftsstrukturen, die eine Nachverfolgung sehr schwierig machen.
Um das EAC-Zertifikat zu erhalten, werden häufig Prüfprotokolle oder Abschlussberichte gefälscht. Seit 2019 wurden deshalb die Aufsichtsbehörden, einschließlich dem Zoll dazu ermächtigt, Prüfprotokolle und Abschlussberichte zu kontrollieren. Darüber hinaus muss überprüft werden, ob auch wirklich Muster für die Prüfungen eingeführt wurden und ob ein akkreditierter Experte das Audit für die EAC-Zertifizierung durchgeführt hat. Infolgedessen gibt es kaum noch EAC-Zertifikate, die trotz Regelverstoß ausgestellt wurden.
Darüber hinaus war es auch problematisch, die Inspektionskontrolle durchzuführen, da es diesbezüglich lange Zeit Rechtsunsicherheiten gab. Die Verpflichtung zur Durchführung der Inspektionskontrolle war in den Technischen Regelwerken festgelegt, jedoch gab es keine Normen, die das Verfahren der Inspektionskontrolle beschrieben. Es wurden ebenfalls keine Sanktionen festgelegt, wenn die Inspektionskontrolle nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht durchgeführt wurde. Zertifizierungsstellen haben diese Gesetzeslücke seit Jahren missbraucht und den Hersteller nicht auf die Notwendigkeit einer Inspektionskontrolle hingewiesen oder fälschlicherweise behauptet eine Inspektionskontrolle durchgeführt zu haben.
Um diese Gesetzeslücke zu schließen, ist es seit dem 1. Januar 2020 möglich, die Inspektionskontrolle auf eine andere Zertifizierungsstelle zu übertragen.
Die oben genannten Gründe zeigen, dass die Auswahl einer Zertifizierungsstelle einen essentiellen Schritt des Konformitätsbewertungsverfahrens darstellt. Wir empfehlen Ihnen deshalb, diese Angelegenheit mit einem erfahrenen und professionellen Berater zu besprechen.
Prüfstellen und Prüfberichte
Es gibt 2 Arten von Laboren: akkreditierte und nicht akkreditierte Labore.
Bei dem EAC-Deklarierungsverfahren dürfen die Prüfprotokolle sowohl von einem akkreditierten als auch auch von einem nicht akkreditierten Labor ausgestellt werden. Sollten Sie sich an ein nicht akkreditiertes Labor wenden, müssen Sie das Labor sorgfältig auswählen. Einige Labore verfügen nicht über das erforderliche Personal oder die Ausrüstung für die Prüfungen. Häufig tritt es auf, dass solche Labore keinen Handelsregisterauszug vorlegen können und daher keine Verantwortung für ihre Handlungen tragen. EAC-Deklarationen, die auf Grundlage von Prüfberichten von solchen Laboren ausgestellt werden, werden nach der Überprüfung von den Aufsichtsbehörden wie z.B. dem Zoll, dem Föderalen Dienst für Aufsicht auf dem Gebiet des Schutzes der Verbraucherrechte oder Rosstandart als ungültig erklärt.
Bei dem EAC-Zertifizierungsverfahren sind Prüfberichte erforderlich, die nur von einem in der EAWU akkreditierten Labor ausgestellt wurde und im nationalen Teil des Registers der akkreditierten Prüfer aufgeführt sind. Die Zertifizierungsstelle darf das Labor auswählen und sendet anschließend die Muster zur Prüfung.
Leider können einige Zertifizierungsstellen unerfahrene Kunden täuschen und die Prüfberichte fälschen, ohne die Muster tatsächlich zum Prüflabor geschickt zu haben. Damit werden die ausgestellten EAC-Zertifikate ungültig. Es ist ebenfalls möglich, dass die Prüfberichte selbst von den Prüflaboren gefälscht werden. Deswegen werden Tausende von EAC-Zertifikaten aufgrund der Inspektionen der Aufsichtsbehörden widerrufen.
Die Konformitätsbewertungsverfahren in Russland und der EAWU werden ständig verändert und neu reguliert. Gesetzlichen Vorschriften und Normen werden beinahe täglich aktualisiert, da die Geschäftsgebaren, die gestern noch allgemein akzeptiert wurden, heute schon nicht mehr passend sein können. Um an dem Laufenden zu halten, empfehlen wir Ihnen, sich an einen kompetenten und erfahrenen Partner zu wenden.