Russland will sein System der öffentlichen Ausschreibungen transparenter gestalten. Die Generalstaatsanwaltschaft wird stärker kontrollieren, ob die Tenderverfahren rechtmäßig verlaufen. Schlupflöcher für Amtsmissbrauch und Korruption bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollen möglichst geschlossen werden. Deshalb sind nun für größere Anschaffungen von Behörden auch Online-Auktionen möglich. Für deutsche Unternehmen könnte die Teilnahme an den Bieterverfahren erfolgreicher sein als bei herkömmlichen Ausschreibungen. (Kontaktanschrift)
Russland setzt verstärkt auf Online-Auktionen, um öffentliche Anschaffungen transparenter, effizienter und letztendlich billiger zu machen. Dafür wurden im Juli 2009 die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Nun dürfen per Auktion auch Aufträge für mehr als 1 Mio. Rubel (rund 22.000 Euro) vergeben werden. Bis Ende dieses Jahres werden fünf bis sieben Internet-Plattformen ausgewählt, auf denen die elektronische Auftragsvergabe stattfinden kann. Rechtsgrundlage ist die Regierungsverordnung Nr. 755-r vom 1.6.2009.
Ein Sprecher der Antimonopolbehörde FAS erklärte, dass die Staatsbeamten, die für die Durchführung der Auktion zuständig sind, künftig die Bewerber um den Auftrag nicht mehr kennen. Erst nach Ende der Auktion erfährt der Auftraggeber, wer den Zuschlag bekommen hat. Das sei ein wichtiger Schritt zur Korruptionsbekämpfung, glaubt die FAS. Während des Bieterverfahrens ist nur der aktuelle Preis einsehbar, nicht jedoch der Name des Bieters.
Vorerst wurden drei Organisationen ausgewählt, die Internet-Auktionen für staatliche Aufträge durchführen: "Sberbank - Awtomatisirowannaja sistema torgow" (www.sberbank-ast.ru Tochtergesellschaft der größten russischen Bank), die Agentur für staatliche Aufträge der Republik Tatarstan (AGSRT, www.agzrt.ru Internet-Auktionen: www.tattis.ru) und das Unternehmen OAO Edinaja elektronnaja torgowaja ploschtschadka (EETP, www.roseltorg.ru), das für die Moskauer Stadtregierung Einkäufe und Ausschreibungen abwickelt.
Diese drei Anbieter organisieren seit 1.7.2009 Online-Auktionen für die Vergabe öffentlicher Aufträge, für Warenlieferungen, Dienstleistungen oder Bauarbeiten. Im Rahmen des Bieterverfahrens sinkt der ursprünglich gesetzte Höchstpreis stufenweise, wodurch sich die Regierung erhebliche Einsparpotenziale bei öffentlichen Beschaffungen verspricht.
Mitte August 2009 offerierte das Portal EETP über 80 Auktionen, die Hälfte davon aus dem Gesundheitssektor (vor allem Lieferung von Verbrauchsmaterialien und Medikamenten für Moskauer Krankenhäuser). Durch die bislang durchgeführten Auftragsvergaben wurden im Durchschnitt 20% der geplanten Auftragssumme eingespart.
Als Vorteile des Online-Verfahrens gegenüber nicht-elektronischen Ausschreibungen nennt die EETP die Transparenz der Auktion, deutlich niedrigere Auftragssummen und ein größerer Kreis potenzieller Lieferanten, der sich an der Versteigerung beteiligen kann. Da der Dokumentenaustausch elektronisch erfolgt, können sich theoretisch Firmen aus dem gesamten Land nun russlandweit an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.
Unternehmen, die bei den Auktionen mit bieten wollen, müssen lediglich für die elektronische Unterschrift registriert sein. Die entsprechenden Zertifikate geben spezialisierte Beglaubigungsstellen (Udostowerjajuschtschie zentry) aus, in Moskau zum Beispiel das Nationale Beglaubigungszentrum (www.nucrf.ru). Die Kosten für den Schlüssel zur E-Signatur können unterschiedlich ausfallen und liegen in der Regel zwischen 3.000 und 8.000 Rubel (70 bis 180 Euro). Anschließend erfolgt die Registrierung bei der entsprechenden Handelsplattform, wobei die benötigten Dokumente wie Steuernummer, Nachweis der Firmenregistrierung (bei ausländischen Unternehmen mit beglaubigter Übersetzung) und Vollmacht der Geschäftsführung zur Teilnahme an der Auktion online eingereicht werden können.
Neben staatlichen Behörden setzen auch russische Unternehmen verstärkt auf Online-Beschaffungen. Die Nanotechnologie-Holding Rosnano hat im Juli 2009 ihr Internet-Einkaufsportalwww.b2b-rusnano.ru gestartet. Der Konzern nutzt damit eine bekannte Business-to-Business-Plattform, die nach eigenen Angaben eine der führenden Technologien für den elektronischen Handel in Russland ist. Allein im Juli wurden über die Webseite www.b2b-center.ru über 350 Geschäfte mit einem Auftragswert von 3 Mrd. Rubel (70 Mio. Euro) abgewickelt.
Reformen in Russlands Ausschreibungswesen sind längst überfällig. Die öffentliche Auftragsvergabe gilt als äußerst fruchtbarer Nährboden für Korruption und Amtsmissbrauch. Denn es geht um gewaltige Summen: Laut Nationalem Verband der Teilnehmer am elektronischen Handel (NAUET) wurden 2008 staatliche Aufträge für 4,2 Bill. Rubel (115 Mrd. Euro, Durchschnittskurs 2008: 1 Euro = 36,42 Rubel) vergeben. Wie russische Medien berichten, bekommen Beamte bei Auftragsvergaben im Bildungs- oder Gesundheitswesen bis zu 40% "Handgeld" von bevorzugten Firmen.
Deutsche Firmen berichten, dass sich eine Teilnahme an Ausschreibungen in der Regel nicht lohne, weil die Gewinner bereits vorab feststünden. Außerdem sind die Bedingungen für eine Teilnahme meist so schwer zu erfüllen (Vorlage von Lizenzen, Dokumentenflut, kurze Fristen), dass viele Unternehmen auf eine Angebotsabgabe verzichten.
Präsident Dmitri Medwedjew hat Anfang August 2009 angeordnet, dass Russlands Staatsanwaltschaft die Gesetzmäßigkeit öffentlicher Ausschreibungen künftig strenger überwachen soll. Damit will der Kreml verhindern, dass Budgetmittel bei der Auftragsvergabe verschwendet werden und die beteiligten Staatsdiener ihre Ämter missbrauchen, heißt es aus Kreisen der Generalstaatsanwaltschaft.
Zusammen mit der Anti-Monopolbehörde FAS werden die Strafverfolger künftig den Ausschreibungsprozess überwachen und bei Verstößen eingreifen - so der Wunsch des russischen Präsidenten. Konkreter Anlass war die Klage einiger Nutzer der zentralen Ausschreibungsplattform www.zakupki.gov.ru die monierten, dass Tender auf der Internetseite wegen Buchstabenmanipulationen nur schwer zu finden seien.
Einen kleinen Erfolg beim Kampf gegen unrechtmäßige Auftragsvergabe durfte die FAS Ende Juli 2009 verbuchen. Vor Gericht konnte die Antimonopolbehörde nachweisen, dass die Straßenbauverwaltung Nischni Nowgorod einen Auftrag zu teuer und damit unrechtmäßig vergeben hat. Eine Baufirma hatte den Zuschlag erhalten, obwohl sie für den Bau einer Straße 470 Mio. Rubel (rund 10 Mio. Euro) mehr als der günstigste Bieter veranschlagt hatte.
Wichtige Ausschreibungsportale in Russland:
www.zakupki.gov.ru Offizielle Seite der Russischen Föderation zur Platzierung öffentlicher Ausschreibungen
www.tender.mos.ru Ausschreibungen der Stadt Moskau
www.roseltorg.ru Online-Auktionen für öffentliche und gewerbliche Anschaffungen der Stadt Moskau
www.gz-mo.ru Ausschreibungen des Gebiets Moskau
www.gz-spb.ru Ausschreibungen der Stadt Sankt Petersburg
www.tattis.ru Online-Auktionen der Republik Tatarstan
www.sc-olympstroy.ru/ru/contest Ausschreibungen der Staatsholding Olimpstroi für Olympia-2014 in Sotschi
www.sberbank-ast.ru Eine von drei Plattformen, die Online-Auktionen für öffentliche Auftragsvergabe durchführen darf
www.aetp.ru Verband der Elektronischen Handelsplattformen Russlands
www.b2b-center.ru Elektronische Auftragsvergabe großer russischer Unternehmen
Quelle: Germany Trade & Invest